Wie kam’s? Landauf, landab konnten sich die Ehemänner weder der großen neuen Lust des Fernsehguckens entziehen, noch dem damals üblichen Sendeschluss; so begann eine äußerst fruchtbare Ära, und es gab sehr viele, liebe, kleine Kinderlein.
Mein komischer Vater erkannte sofort den damit einhergehenden Bedarf an Kinderunterhaltung und gründete die „Stolzenfelser Kinderbühne”.
Alles, was das freudige Kinderherz und die zahlenden Veranstalter begehrten, wurde unter diesem stolzen Namen felsenfest dargeboten: Ponyreiten, Kinderzauberei, Kinderquiz, Clownerien und wie sollte es anders sein, auch das unvermeidbare Kasperletheater. Natürlich konnte mein komischer, geschäftstüchtiger Vater dies nicht alles alleine auf „die Bretter, die die Welt bedeuten” stellen, und so engagierte er Hinz und Kunz, um die vielen, lieben, kleinen Kinderlein zu belustigen.
Doch eines schlechten Tages konnte Kunz nicht mit seinem Kasperletheater auftreten. Vielleicht hatte er sich den Fuß verknackst, egal, doch der Vertrag mit dem Veranstalter war unterschrieben und die Gage schon längst von meiner Mutter für die Prinzessinnen ausgegeben. Was tun? Da erinnerte sich mein komischer, Kinder belustigender Vater daran, dass er irgendwann in den fünfziger Jahren einen Sohn bekommen hatte, und der Verdacht fiel bald auf mich.
Nach einiger Sucherei fand man mich in einer unaufgeräumten Dachmansarde hoch unter den Wolken in meinem Kuckucksheim. Man konnte sich daran erinnern, dass ich viel herumbastelte, zeichnete und malte, dass ich seltsame Texte verfasste und den Sinn des Lebens im Unsinn sah. Man trug mich in die Küche, wusch mich gründlich und gab mir den Auftrag, umgehend Kasperletheater spielen zu wollen müssen. Nach dem herzzerreißenden Erlebnis, endlich meine gesamte Familie einmal wieder zu sehen und mit dem neuen Wissen, zukünftig eine Mitverantwortung an der Aufzucht von Prinzessinnen zu tragen, war ich nicht mehr in der Lage, das finanziell äußerst unlukrative Angebot abzulehnen.
So spielte ich zwei Jahre lang das lustige Kasperle bei Kindergeburtstagen, Supermarkteröffnungen, Vereinsfeierlichkeiten, Werbeveranstaltungen und sonstigen traurigen Anlässen. Nun begab es sich zu jener Zeit, dass ich plötzlich anfing, selbstständig zu denken. Ich dachte mir dies und das, aber auch selles und jenes, aber am meisten dachte ich darüber nach, wie man dieses Kinder belustigende Kasperletheater zu einem wirklich guten Puppentheater machen könnte. Als ich fertig
darüber nachgedacht hatte, nahm ich all meinen Unmut zusammen und präsentierte meinem komischen Vater mein zukunftsweisendes Kasperle-Konzept. Von da an haben wir nie mehr ein Wort miteinander gesprochen. Ich ergriff einen ordentlichen Beruf, wurde Handbuchbindermeister und Vater von drei Kindern und lebte fortan in Frieden. Allerdings nur bis zum Jahre 1979, denn da erschien mir eines Nachts im Traum das bereits erwähnte, Kinder belustigende Kasperle. Es sprach zu mir: „Hör mal Hotz, wie wär’s, wenn wir beide uns zusammen tun? Du steckst mir die Hand hinten rein und ich halte den Kopf dafür hin, das wird bestimmt eine komische Nummer“. Ich fand die Idee zwar gleich richtig gut, doch ich erbat mir einige Änderungen bei der Art und Weise der kasperlativen Lustigbarkeit. Das Kasperle sagte nach kurzem, unüberlegten Nachdenken: „So soll es sein! Wes’ Hand ich spür, des’ Stück ich spiel’!”. Er schlug mir dreimal mit seiner Klatsche auf den Kopf, rief „Gut Holz, Hotz” und schlief ein. So gründete ich am darauffolgenden Tag unumgänglich das „Kikeriki
Theater”. Abgesehen davon, dass meine Familie, meine Arbeitskollegen, meine Bekannten, meine Freunde und selbstredend auch meine Feinde sicher waren, dass sich nun endlich ihr Verdacht auf meine geistige Rundumverwirrung bestätigte, war mein Entschluss unumstößlich. Gesegnet mit allen schlechtgemeinten Unglückswünschen dieser Welt begann somit ein komisches Theater seinen oft auch unkomischen Weg.